News: Apotheken-Reform: Was sich ändert, warum sie umstritten ist und warum die Abgabe von Medikamenten ohne Rezept auf Widerstand stößt.
Die geplante Apotheken-Reform des Bundesgesundheitsministeriums sorgt derzeit für heftige Diskussionen – insbesondere unter Ärzten, Kammern und Apothekern. Was ursprünglich als Maßnahme zur Verbesserung der Patientenversorgung gedacht war, wird von vielen Experten als gefährlicher Schritt in Richtung einer geringeren Patientensicherheit angesehen. Doch auch die Befürworter der Reform haben einige gute Argumente vorgebracht. In diesem Artikel möchten wir uns die wesentlichen Eckpunkte der Reform, die Kritik und auch die potenziellen Vorteile näher ansehen.
Was sieht die Reform vor?
Die Eckpunkte der Reform beinhalten unter anderem:
Folgeverschreibungen ohne ärztliche Verordnung: Apotheker sollen künftig Folgeresepte für chronisch Erkrankte auch ohne vorherige ärztliche Verordnung ausstellen können.
Erstverschreibungen bei Bagatellerkrankungen: Auch Erstverschreibungen bei Bagatellerkrankungen sollen möglich sein – ohne ärztliche Diagnose und Untersuchung.
Erweiterung des Impfangebots: Apotheken sollen ihr Impfangebot ausweiten und auch Impfungen gegen Krankheiten wie Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und FSME anbieten können.
Zweigapotheken: Die Möglichkeit, Zweigapotheken zu betreiben, die nur eingeschränkte Öffnungszeiten haben und von pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) geführt werden können.
Telepharmazie: Einführung von Telepharmazie, bei der Apotheker per Video konsultiert werden können, um Beratung und Rezeptausstellung vorzunehmen.
Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband verteidigt die Reform und betont, dass endlich vorhandenes Wissen durch Apotheker adäquat genutzt werden könne. Doch nicht alle sehen das so.
Warum gibt es Widerstand?
Viele Experten sehen die geplante Reform kritisch und warnen vor möglichen Risiken:
Gefährdung der Patientensicherheit: Die Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne ärztliche Untersuchung könnte zu Fehldiagnosen und falscher Medikation führen.
Einschränkung der Beratungskompetenz: Apotheker sind nicht ausgebildet, Diagnosen zu stellen. Die geplante Reform könnte die Qualität der pharmazeutischen Beratung beeinträchtigen.
Überlastung der Apotheken: Die Einführung von Zweigapotheken und Telepharmazie könnte zu einer Überlastung der Apotheken führen, da die Anforderungen an die Versorgung steigen.
Wirtschaftliche Belastung: Die geplanten Änderungen könnten insbesondere kleinere Apotheken wirtschaftlich belasten und zu weiteren Schließungen führen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bezeichnete die Reform als „gefährlichen Irrweg“, da Medikamente nicht „wie Bonbons“ abgegeben werden sollten. Auch die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) äußerte Bedenken hinsichtlich der Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne ärztliche Untersuchung. Die ABDA warnt vor einem „Ende des Berufsstandes“ durch die geplanten Änderungen.
Potenzielle Vorteile der Reform
Trotz der heftigen Kritik gibt es auch einige potenzielle Vorteile, die durch die Reform erzielt werden könnten:
Erhöhung der Arzneimittelversorgung im ländlichen Raum
Die Reform könnte dazu beitragen, die Arzneimittelversorgung in ländlichen Gebieten zu verbessern, wo Ärzte und Apotheken oft nicht ausreichend verfügbar sind. Durch die Erweiterung des Impfzentrums und die Erweiterung der Apotheken könnte es zu einer besseren Medikationsversorgung kommen.Entlastung der Ärzte
Gerade für Patienten mit chronischen Erkrankungen könnte es eine Entlastung für Ärzte und Patienten bringen, wenn Apotheker Folgeverschreibungen ohne ärztliche Verordnung ausstellen können. Dies könnte den bürokratischen Aufwand für Ärzte verringern und gleichzeitig eine schnellere Medikamentenversorgung ermöglichen.Flexibilisierung und Erweiterung der Apothekenrolle
Die Reform gibt den Apotheken die Möglichkeit, eine größere Rolle in der Patientenversorgung zu übernehmen, insbesondere im Bereich Impfungen und Bagatellerkrankungen. In ländlichen Regionen könnten Apotheken eine wichtige Anlaufstelle für Patienten werden, die aus verschiedenen Gründen keinen Arzt aufsuchen können oder wollen.Verbesserte Nutzung der pharmazeutischen Kompetenz
Durch die Erweiterung der Rolle von Apotheken könnten Apotheker ihr Wissen besser einbringen und durch Telepharmazie eine breitere Zugangsmöglichkeit für Patienten schaffen. Sie könnten so eine zusätzliche Beratung und Unterstützung bieten, besonders in einfachen und wiederkehrenden Gesundheitsfragen.Förderung der Telemedizin
Die Möglichkeit der Telepharmazie könnte die digitale Gesundheitsversorgung fördern und den Zugang zu Arzneimitteln für Menschen mit mobilitätsbedingten Einschränkungen oder in isolierten Gebieten erleichtern. Es könnte den digitalen Wandel im Gesundheitswesen vorantreiben und den Zugang zu Gesundheitsleistungen verbessern.
Was bedeutet das für die Patienten?
Die Reform könnte folgende Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben:
Verschlechterung der Versorgung: Kritiker warnen, dass die Qualität der Beratung und Medikation leiden könnte, wenn Apotheker ohne ärztliche Untersuchung Medikamente abgeben.
Eingeschränkter Zugang zu Fachwissen: Die Einführung von Zweigapotheken und Telepharmazie könnte den direkten Kontakt zu qualifiziertem Fachpersonal erschweren.
Verunsicherung der Patienten: Patienten könnten sich verunsichert fühlen, wenn sie Medikamente ohne ärztliche Konsultation erhalten, insbesondere bei komplexeren Krankheitsbildern.
Patientenverbände und Organisationen wie die Deutsche Diabeteshilfe äußerten Besorgnis über die Reform und betonten die Bedeutung der persönlichen Beratung durch Apotheker vor Ort.
Fazit
Die geplante Apotheken-Reform wirft zahlreiche Fragen auf und spaltet die Meinungen. Während einige den Schritt als notwendig für die Entlastung von Ärzten und eine bessere Versorgung im ländlichen Raum betrachten, warnen viele Experten vor den Risiken für die Patientensicherheit.
Es bleibt abzuwarten, ob die Reform in ihrer jetzigen Form umgesetzt wird oder ob die Bedenken der Kritiker berücksichtigt werden. Die Diskussion ist noch lange nicht zu Ende.